Wer dem Alkohol adé sagen will weiß: Die ersten Tage sind nicht ohne. Überall liest man Alkoholentzug allein zu Hause ist gefährlich, ohne Klinik oder mindestens Arzt geht es nicht. Dafür gibt es auch sehr gute Gründe, trotzdem versuchen viele den Alkoholentzug allein daheim.
Von Gaby Guzek, Autorin von “Alkohol adé“
Gucken wir uns einmal an, was im Körper passiert, wenn der gewohnte Drink auf einmal wegfällt. Wir klären: Ist der Entzug alleine gefährlich? Was passiert beim Alkoholentzug? Wie geht es Kopf und Körper in den ersten Tagen? Erholt sich das Gehirn vom Alkohol? Wann ist das Schlimmste vorbei? Wie schnell erholt man sich vom Alkoholentzug?
Und schließlich: Was kann man tun, um ihm diese erste Zeit ein wenig leichter zu machen. Noch ein Wort zu mir: Ich selbst war in keiner Klinik, auch bin ich nicht zum Hausarzt gegangen. Das liegt aber daran, dass mein Mann sowohl Arzt als auch ausgebildeter Krankenpfleger ist und er im Fall der Fälle hätte eingreifen können.
Bevor Sie den Alkohol stehen lassen, müssen Sie sich genau überlegen: Geht das allein – oder sollte das besser ein Arzt begleiten? Ein so genannter kalter Entzug kann fürchterlich schief gehen und sie umbringen. Nehmen Sie das bitte nicht auf die leichte Schulter, es kann lebensgefährlich sein.
Es gibt sicherlich Menschen, die ohne medizinische Hilfe dem Alkohol entsagen können. Ob Sie zu diesen gehören, können Sie allerdings nur mit Profis klären: Die Suchtberatung und der Hausarzt sind Ihre Anlaufstellen. Fällt die Entscheidung, dass Sie besser einen Arzt an Ihrer Seite haben, gibt es zwei Möglichkeiten: Ambulant entgiften oder direkt in der Klinik. Wir kommen darauf gleich zurück. Weil es so wichtig ist, nochmal die eindringliche Warnung: Nehmen Sie diesen Aspekt bitte nicht auf die leichte Schulter. Jedes Jahr sterben Menschen im kalten Entzug. Sie alle meinten „ich pack das alleine.“
Alkohol wirft unser Nervenbotenstoff-System komplett aus der Bahn. Während der ersten Tage kann so viel entgleisen, dass der Entzug ohne medizinische Begleitung lebensgefährlich wird. Überschießende Nervenbotenstoffe können Krampfanfälle verursachen, der Betroffene wird aus heiterem Himmel ohnmächtig, Stürze können schwere Kopfverletzungen nach sich ziehen. In dieser Phase sind schon viele Alkoholiker auch an Erbrochenem erstickt. Der Blutdruck kann durch die Decke schießen, der Blutzuckerspiegel auf ein lebensgefährliches Minimum fallen. Ob es für Sie so brenzlig werden kann, muss eine schonungslose Bestandsaufnahme klären.
Hier sind ein paar Kriterien, die Sie mit Ihrem Hausarzt oder mit der Suchtberatungsstelle diskutieren müssen. Seien Sie dabei bitte ehrlich. Ihrem Hausarzt können Sie vertrauen, die Suchtberatungsstelle auf Wunsch auch anonym konsultieren. Eine ausführlichere Liste finden Sie im Buch „Alkohol adé“.
Wie oft trinken Sie Alkohol?
Je öfter und regelmäßiger Sie trinken, umso höher ist Ihr Risiko
Um welche Tageszeit trinken Sie das erste Mal?
Je früher Sie beginnen, umso größer ist Ihr Risiko. Wenn Sie vielleicht sogar den ganzen Tag über immer einen bestimmten Alkoholpegel halten müssen, brauchen Sie auf jeden Fall medizinische Hilfe beim Ausstieg.
Gibt es Zeiträume, in denen Sie keinen Alkohol im Blut haben, ohne körperliche Symptome zu spüren?
Wenn Sie manchmal mehrere Tage keinen Alkohol trinken (fünf Tage am Stück oder mehr), ohne dass die im nächsten Abschnitt beschriebenen Symptome auftreten, senkt das die Gefahr für Krampfanfälle. Je größer die Trink-Abstände, umso geringer das Risiko.
Was für sichtbare Zeichen gibt es, wenn Sie mal keinen Alkohol trinken?
Zittern Ihre Hände? Fangen Sie an zu schwitzen? Wird Ihnen übel? Bekommen Sie Kopfschmerzen, einen erhöhten Puls/Blutdruck (sofern Sie das wissen), wird Ihnen schwindelig? Das sind alles Warnsignale. Treten diese auf, gehören Sie in den ersten Tagen des Entzuges auf jeden Fall in die Hände von Ärzten.
Natürlich können dies alles nur erste Hinweise sein. Sprechen Sie bitte unbedingt mit Ihrem Arzt darüber.
Das Gespräch mit dem Hausarzt
Ihr Hausarzt wird mit Ihnen abklopfen, wie stark die Abhängigkeit ist. Generell gibt es drei Optionen, wie es dann weiter geht: Er kommt zu dem Schluss, dass Sie ohne medizinische Hilfe aufhören können, er bietet Ihnen einen so genannten ambulanten Entzug an – oder aber, er plädiert für eine Entgiftung in der Klinik.
Leider gibt es hin und wieder Berichte von Betroffenen, die von der Reaktion ihres Hausarztes enttäuscht waren – etwa, indem der Arzt das Problem herunter spielte, nicht ernst nahm oder den Patienten mit ein paar allgemeinen Ratschlägen („trinken Sie einfach weniger“) abspeiste. Wenn Sie nicht das Gefühl haben, dass der Arztbesuch zufriedenstellend verlaufen ist (oder aber, Sie haben vielleicht nicht mal einen Hausarzt, auch das gibt es), dann wenden Sie sich an eine Suchtberatungsstelle. Weit über 1000 davon gibt es im deutschsprachigen Raum. Auf dieser Website finden Sie garantiert auch eine in Ihrer Nähe.
Bei der Suchtberatung können Sie meistens auch sehr kurzfristig einen Termin bekommen. Viele bieten eine erste Beratung auch telefonisch und anonym an.
Möglichkeit ambulanter Entzug
Beim ambulanten Entzug bleiben Sie in Ihren eigenen vier Wänden, stehen aber in engem Kontakt mit Ihrem Arzt. Der Komfort der eigenen vier Wände ist aber auch eine Fußangel: Meldet sich der Drang nach Alkohol, ist dieser im Handumdrehen besorgt, die Rückfallgefahr noch während der Entgiftung ist hoch.
Der Arzt verschreibt Ihnen Medikamente, um eventuell auftretende körperliche Entzugserscheinungen auszuschalten oder zu lindern. Diese Medikamente haben allerdings zur Folge, dass Sie in dieser Zeit nicht Auto fahren dürfen. Daran sollten Sie sich auch unbedingt halten – Sie gefährden sonst sich und andere. Für einen ambulanten Entzug dürfen Sie nicht alleine wohnen und müssen die Möglichkeit haben, sich für fünf bis acht Werktage täglich beim Arzt zu melden bzw. in die Praxis zu kommen. In der Regel wird der Hausarzt Sie für diese Zeit krank schreiben. Keine Angst, der Grund dafür erfährt Ihr Arbeitgeber nicht. Ich selbst habe mit mit einem Nährstoffprotokoll durch diese kritische Phase geholfen.
Möglichkeit Klinikentzug
Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben oder befürchtet Ihr Hausarzt heftige körperliche Entzugssymptome, wird er Ihnen eine Entgiftung in der Klinik nahe legen. Dort sind Sie dann 24 Stunden unter medizinischer Aufsicht. Netz und doppelter Boden sozusagen. Wenn alles glatt läuft, passiert gar nicht so sehr viel mehr, wie auch daheim. Sie erhalten Medikamente, die die Entzugssymptome lindern und die Sie schlafen lassen, Ihr Blutdruck und Blutzuckerspiegel wird kontrolliert.
Wenn Ihnen allein beim Gedanken an einen Klinikentzug die Schamröte ins Gesicht kriecht, machen Sie sich bitte klar: Es sind Klischees, die Sie kirre machen. In der Klinik sitzen nicht Verwahrloste mit ungewaschenen Unterhemden, mit denen Sie dann gefühlt in einem Topf stecken. Da sind Menschen wie Sie, Ihre Nachbarn oder Ihr Chef. Alkoholismus ist eine Volkskrankheit und kann jeden treffen. Er ist kein soziales Stigma oder wertet Sie ab. Schließen Sie diese Möglichkeit bitte nicht aus falschem Schamgefühl für sich aus.
Alkoholentzug: Wann ist es am Schlimmsten?
Wenn der Promillepegel auf Null fällt, meldet sich der Körper und verlangt nach seinem Stoff. Man wird unruhig, fängt vielleicht an zu schwitzen. Bei vielen steigt der Blutdruck, der Blutzuckerspiegel sackt manchmal in den Keller. Die Unruhe kann sich bis zum Zittern steigern, spätestens dann sollten alle Alarmglocken läuten. Das ist ein klares Zeichen, es nicht weiter alleine zu versuchen.
Auch wenn es merkwürdig klingt: Wenn sich starke körperliche Symptome einstellen, ist es besser, wieder Alkohol zu trinken, den Selbstversuch zu beenden und unbedingt unter ärztlicher Aufsicht zu entgiften. Alles andere ist lebensgefährlich, denn dann kann es aus heiterem Himmel auch zu einem Krampfanfall kommen.
Im anonymen Forum von „Alkohol adé“ schildern Betroffene ihre Erfahrungen zum Alkoholentzug, auch Sie selbst können dort kostenlos und anonym Fragen stellen. Die meisten berichten davon, dass nach etwa 72 Stunden (also drei Tagen) der Körper sich langsam beruhigt. Andere Symptome allerdings nehmen dann erst richtig Fahrt auf. Dazu zählen vor allem Angstzustände, Depressionen und ein stark gestörter Schlaf. Das ist zwar alles dann nicht mehr tödlich, ist aber unter Umständen so heftig, dass es sehr viele direkt zurück an die Flasche treibt.
Ob körperliche oder „psychische“ Symptome: Wie sie entstehen, ist heute bereits geklärt. Das hängt mit den so genannten Neurotransmittern zusammen, den Nervenbotenstoffen, die der Alkohol komplett aus der Bahn wirft. Im Buch „Alkohol adé“ erklären wir genau, welche das sind, wie der Alkohol das anstellt – und geben auch die Antwort auf die Fragen: Erholt sich das Gehirn von Alkohol?
Was kann man tun, um dem Körper in der ersten Zeit zu helfen?
Man kann den Körper in der ersten Zeit ohne Alkohol ein wenig dabei unterstützen, mit der neuen Situation besser klar zu kommen. Ganz wichtig sind dabei Vitamine, besonders B-Vitamine. Auch in Kliniken wird beispielsweise das Vitamin B1 (Thiamin) beim Alkoholentzug eingesetzt. Aber es gibt noch mehr. Sogenannte Aminosäuren (das sind Eiweißbausteine) übernehmen beispielsweise die Funktion entspannender Nervenbotenstoffe und können so dazu beitragen, dass Anspannung, Angst und Panik nicht allzu sehr zuschlagen.
Auch den Schlaf kann man in der ersten Zeit mit Nährstoffen gut unterstützen. Wie ein Nährstoffprogramm mir beim Ausstieg aus dem Alkohol geholfen hat, steht ganz genau erklärt in unserem Buch „Alkohol adé“.
Gaby Guzek, Autorin Alkohol adé
Image by Лечение наркомании / Pixabay